Von Besonderheiten der NGO’s über Einbindung von Mitarbeitern zu den Top 5 Key-Learnings! Interview mit SOS Kinderdorf Continental Director Michael Pöltl

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Dynact arbeitet seit vielen Jahren mit SOS Kinderdorf International und auch mit nationalen Vereinen zusammen, auf allen Kontinenten. Uns begeistert an der Partnerschaft die Sinnhaftigkeit der Projekte und Vorhaben. Die Menschen, die sich mit 120% ins Zeug schmeißen und um die gute Sache kämpfen. Es geht nicht darum, irgendwelche „offgeshoreten“ IT Prozesse um 0,0003% zu beschleunigen. Es geht um Menschenleben. „A loving home for every child“.

Michael Pöltl war 17 Jahre Continental Director von SOS Kinderdorf International für den Kontinent Centraleuropa & Baltics. Länder wie Kosovo, Ukraine, Kasachstan, Georgien, Uzbekistan, etc. sind Basis einer Menge von Herausforderungen – kulturell, fachlich, menschlich. Derzeit befindet sich Michael Pöltl auf einer kurzen Auszeit auf einer Reise durch Europa. Dynact traf Michael Pölt zum Interview und sprach mit Ihm über Mitarbeiter-Motivation, Gefahren und Partner auf Augenhöhe.

Dynact: Welche Besonderheiten gibt es in Führungspositionen von international agierenden NGO’s?

Michael Pöltl: Man muss sich klar sein, wofür die Organisation steht, stetig die Grundwerte dieser weiter entwickeln und auf die Stabilität schauen. Wir haben ein starkes Fundament, aber wenn dieses Fundament inhaltlich erstarrt, dann stagniert die Organisation in ihrer Entwicklung.
Der inhaltlichen Change muss permanent sichergestellt werden und das geht nur mit motivierten Mitarbeitern!

Mitarbeiter sind stark von der Sache, der Mission & Vision der Organisation, wie auch der Kultur motiviert. Eine adäquate Bezahlung ist notwendig, aber Geld ist nicht der Hauptmotivator!

Dynact: Welche Gefahren sehen Sie in der Mitarbeiter-Motivation im Vergleich zu anderen Organisationen?

Michael Pöltl: Wenn die Motivation verloren geht, gehen die Mitarbeiter in eine innerliche Immigration. Dabei sehe ich keinen Unterschied zu anderen Organisationen. Man muss in einer NGO genauso Performance-Management und Monitoring aufgebaut haben. Ein Grundvertrauen ist unabdingbar, aber es müssen die Support und Monitoring Prozesse genau aufgebaut sein, welche immer wieder neu adaptieren und geschult werden.

Es ist wichtig, die Mitarbeiter einzubinden, die Kultur weiterzutreiben und gleichzeitig Stabilität zu bieten.

Einbindung von Mitarbeitern ist sehr wichtig! Sie sind kritisch, denken mit, wollen mitreden aber nicht unbedingt mitentscheiden. Mitarbeiter wollen gehört werden! Es muss erklärt werden, warum Entscheidungen wie getroffen werden, es muss kommuniziert werden, man muss die Mitarbeiter ernst nehmen und respektvoll behandeln! Dies ist eine wesentliche Grundhaltung einer Führungskraft!

Dynact: Könnte das Einbinden von Mitarbeitern eine Lähmung als Gefahr haben? Ist es schwer die Grenze zu ziehen? Oder ist dies eher eine Gefühlssache für Sie als Führungsposition?

Michael Pöltl: Wir hatten einen extrem aufwendigen und sehr großen Strategie-Prozess, welcher als erster großer Partizipations-Prozess gut war, weil wir den Mitarbeitern das Gefühl geben konnten, dass sie ernstgenommen werden. Das war zu diesem Zeitpunkt wichtig. Wir müssen aber auch weiterdenken, wie die Partizipation stattfinden kann. Es liegt sehr stark bei den Führungskräften, dass sie ein Ohr für Mitarbeiter haben, die richtigen Fragen stellen und dann ein Gremium haben, wo die Meinungen und Stellungnahmen der Mitarbeiter eine Anlaufstelle finden.

Ich glaube nicht, dass man alle Leute aktiv, jedoch schon formal einbinden muss. Es ist wichtig, einen Dialog zwischen Führungsebene und Mitarbeitern sicher zu stellen. Und zwar die nächste Führungsebene zu den Mitarbeitern und nicht die höchste.

Die höchste Führungsebene muss zuhören, muss vielfältige Informationen verarbeiten können, die einfach aus den verschiedenen Teilbereichen der Organisation kommen und diese, im Gesamtsinn der Organisation, umsetzen, um dann wieder an die Mitarbeiter zurück zu kommunizieren: das sind unseren nächsten Schritte, diese haben sich ergeben aus folgenden Informationen, das sind die Entscheidungen, die getroffen wurden, weil etc.

Dynact: Das föderalistische System in dem sich SOS befindet, mit den ganzen Ländern, Niederlassungen und Members Association. Bringt das noch mehr Komplexität ins „daily business“ und in die Projektarbeit oder befruchtet es sogar die Arbeit?

Michael Pöltl:Ein gut funktionierender Nationalverein ist die Basis dafür, dass die Programme und die Organisation funktionieren. Wenn ich mir vorstelle, in der reduzierten Geschwindigkeit in der sich das Generalsekretariat zurzeit befindet, wenn wir lauter Children’s Villages Representative Office hätten, die von GSC (Generalsekretariat) Mitarbeitern geleitet werden würden, dann hätten wir einen Lähmung jetzt auch in der Programmarbeit. Dadurch, dass wir die Nationalvereine haben, die für die Qualität der Arbeit mit den Familien und den Kindern verantwortlich sind, geht‘s da weiter trotz aller Diskussionen und Schwierigkeiten.

Also für mich ist es komplex und man muss sich überlegen, wie die Nationalvereine noch besser eingebunden werden können, wie die Präsidenten noch ernsthafter mit internationalen Themen konfrontiert werden können. Aber der erste Schritt ist sicherlich die Ermutigung und die Kapazität unserer nationalen Vorstände, damit sie wirklich ihr Geschäft selbst in die Hand nehmen können.

Es ist jetzt keine ganz klare Antwort, aber was ich wirklich gelernt habe, ist, dass in Lateinamerika, wo das Generalsekretariat in einer gewaltigen Krise ist, die Nationalvereine sehr viel selbst übernommen haben und auch sehr viel Verantwortung tragen. Das finde ich extrem spannend und extrem positiv. Trotzdem braucht es ein starkes Generalsekretariat, zur Sicherstellung des Monitorings, der Qualitätssicherung, der strategischen Ausrichtung eines Zweigvereines durch die Teilnahme der jeweiligen CVI Representatives in den Vorständen. Das muss alles sichergestellt werden!

Dynact: Das heißt: Starke, gut funktionierende, gute gemanagte Länderniederlassungen sind durchaus Sparringpartner oder Partner auf Augenhöhe des Generalsekretariats, um dann gemeinsam Strategie und Programme umsetzen und Projekte managen zu können?

Michael Pöltl: Ja, das ist die einzige Basis, wenn auf der nationalen Ebene keine starken Leute sind. Unsere Aufgabe ist ja, sicher zu stellen, dass wir auf nationaler Ebene gute Leute, gute Strukturen und gute Prozesse haben. Nur dann kann lokale Mitarbeiterausbildung gut funktionieren. Wenn wir das nicht haben, haben wir Abhängigkeiten und diese nicht nur finanziell! Es gibt Länder, die einfach Geld brauchen. Aber es geht mehr um die innere Abhängigkeit! Als ich begonnen habe, habe ich Kühlschränke in Familienhäusern genehmigt und solche Dinge. Das hat sich inzwischen unglaublich verändert, auch dadurch, dass wir nur mehr Rahmenbudgets vergeben, die den nationalen Direktoren Freiräume, aber auch Verantwortung geben, die sie vorher nie hatten.

Dynact:Nach 17 Jahren Führungskraft-Erfahrung bei SOS: welches sind zusammenfassend die 3-5 Key-Learnings für Sie persönlich, die man möglicherweise auch irgendwann einem Nachfolger, oder anderen Führungskräften auf den Weg mitgeben könnte?

Michael Pöltl: Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren! Das ist wirklich das Key-Learning vor allem in Krisensituationen! Sich nicht hinter der Hierarchie verschanzen, sondern offen und transparent kommunizieren. Die Mitarbeiter haben ein Recht darauf und die Mitarbeiter verstehen es.

Das zweite ist: sich inhaltlich weiterzuentwickeln und nicht am Status Quo stehen zu bleiben, sondern zu schauen, was sich in der Szene sonst noch abspielt, um globale Entwicklungen mitzugestalten und auf Nationalentwicklungen zu reflektieren.

Das dritte ist sicher, die Kraft in die Weiterentwicklung der Nationalvereine zu setzen, aber auch in den Vorständen als Föderation präsent zu sein, um sicher zu stellen, dass die Idee und die Vision der Föderation dort vertreten ist. So wird sichergestellt, dass die Grundprozesse in einer weltweiten Organisation immer wieder reflektiert, aber dann implementiert werden. Das ist die Qualitätssicherung in allen Ebenen, die Hauptaufgabe des Generalsekretariats.

Und dann sicherlich die Klarheit über die Rolle des Generalsekretariats. Dass die Mitarbeiter wissen, was ihre Aufgaben sind, was ist Ihr Rahmen, indem sie agieren können: mögliche Rollenklarheit für alle Teamplayer.

Des Weiteren: Verantwortung in die Programme abgeben, um dort weiter zu kommen. Wir haben das sehr konsequent gemacht und wir haben jetzt Entwicklungen in Nationalvereinen, mit neuen Programmen und neuer Finanzierung, wo von wir vor einigen Jahren nicht mal hätten träumen können!

Und auch sehr wichtig: gute Konsulenten zu haben, die einem im richtigen Moment den richtigen Input mit einer Außenansicht geben!

Dynact: Vielen Dank für das Interview!

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